LG Bonn: jameda muss Arztprofil auf Aufforderung löschen

Arzt sieht gegen Jameda

Das LG Bonn hat mit Urteil vom 28.03.2019 entschieden, dass das Ärztebewertungsportal jameda alle personenbezogenen Daten eines Arztes (= Arztprofil) auf jameda löschen muss, wenn der Arzt dies verlangt. Insoweit kann sich der Arzt auf Art. 17 DSGVO berufen. Da jameda nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils bestehenden Gestaltung der jameda Plattform kein neutraler Informationsmittler ist, könne sich jameda nicht auf ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO berufen. Auf dieses Urteil können sich Ärzte daher nicht berufen, sofern jameda sein Geschäftsmodell ändert.

Sachverhalt: Arzt verlangt Löschung seines Basis-Profils auf Jameda

Der Kläger ist ein niedergelassener Facharzt. Die Beklagte betreibt das Ärztebewertungsportal jameda. jameda erstellt für jeden in Deutschland ansässigen Arzt eine Profilseite mit Namen und Fachrichtung des Arztes sowie den Kontaktdaten der Arztpraxis und einem mit einer grauen Silhouette versehenen Profilbild (sog. Basis-Profil). Diese Daten erlangt jameda aus allgemein zugänglichen Quellen. jameda Nutzer können über eine Suchmaske nach Ärzten suchen und anonym Ärzte bewerten. Eine Möglichkeit, die eigene Profilseite zu löschen, gibt es für Ärzte auf jameda nicht.

Jeder bei jameda gelistete Arzt hat die Möglichkeit, durch Zahlung eines monatlichen Beitrags ein sog. Gold- bzw. Platinpaket zu erwerben, das es ihm ermöglicht, die eigene Profilseite für Nutzer ansprechender zu gestalten, insbesondere durch Einstellung eines individuellen Profilbilds, der Möglichkeit zur individuellen Anpassung des Inhalts der Profilseite, der Möglichkeit zur Verlinkung der eigenen Praxis-Internetseite, der Publikation von Artikeln, der auffälligeren Darstellung der Profilseite auf jameda (Startseite, Suchergebnisse) und der Darstellung der Profilseite als Top-Treffer bei Internet-Suchmaschinen.

Hat ein Arzt ein solches Paket gebucht, macht jameda dies auf der Profilseite des Arztes durch ein Symbol mit dem Text "Gold" bzw. "Platin" deutlich; fährt man mit der Computermaus über das Symbol, erscheint der Text: "[Der betreffende Arzt] ist zahlender A Kunde, um Patienten umfangreich über sich zu informieren (z.B. durch Bilder und Texte). Dies hat keinen Einfluss auf die Bewertungen [des betreffenden Arztes] oder seinen Platz in den A Ärztelisten."

Der Kläger hatte kein kostenpflichtiges Profil auf jameda gebucht. Er verlangte von jameda die Löschung seines von Jameda angelegten Basis-Profils auf jameda. Da jameda sein Basis-Profil nicht löschte, verklagte der Arzt jameda auf Löschung seines Basis-Profils.

Urteil: jameda muss Basis-Profil von Arzt löschen

Die Klage hatte Erfolg. Das LG Bonn verurteilte jameda zur Löschung sämtlicher auf jameda gespeicherter personenbezogenen Daten des Arztes. Ferner wurde jameda verurteilt, es zu unterlassen, auf jameda erneut ein Basis-Profil mit Namen und Fachrichtung des Klägers sowie Anschrift und Telefonnummer seiner Praxis zu veröffentlichen, auf dem Bewertungen abgegeben werden können. Dies alles jedoch unter dem Vorbehalt, dass jameda seine Rolle als neutraler Informationsmittler verlässt. Denn (nur) in diesem Fall überwiegt das Interesse des Arztes vor den wirtschaftlichen Interessen von jameda:

"Mit ihrer Online-Datenbank verfolgt sie (...) privatwirtschaftliche Zwecke. Diese werden (...) nicht etwa (allein) durch Schaltung von Werbung generiert, das heißt durch Umstände, die mit dem Inhalt der auf der Seite verarbeiteten Daten nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, sondern durch monatliche "Mitgliedsbeiträge" der gelisteten Ärzte.

Diese Beiträge "erkauft" sich die Beklagte dadurch, dass sie es den Ärzten ermöglicht, ihre Profilseite für Besucher des Bewertungsportals ansprechender zu gestalten. Es ist offenkundig, dass sich aufgrund der mit einer solchen Gestaltung verbundenen psychologischen Wirkmechanismen Besucher des Portals von solchen Profilseiten auf einer - vorwiegend unbewussten - Ebene eher angesprochen fühlen werden als von den "Basis-Profilen", die - im Gegensatz zu den Profilen zahlender Ärzte - z.B. nur über eine graue Silhouette als Profilfoto verfügen. Das ist unmittelbar einsichtig, weil hierin gerade das Geschäftsmodell der Beklagten besteht, anderenfalls nicht ersichtlich wäre, warum ein Arzt bereit sein sollte, Monatsbeiträge in bis zu dreistelliger Höhe zu investieren."

Ausschlaggebend für die Veruteilung zur Löschung des Basis-Profils war für das Gericht, dass jameda Ärzten auch kostenpflichtige Mitgliedschaften anbietet und daher seine Rolle als neutraler Informationsmittler verlässt.:

"Dieses Modell führt dazu, (...), dass ohne bzw. gegen ihren Willen gelistete Ärzte sich gedrängt fühlen werden, sich bei der Beklagten kostenpflichtig anzumelden, um keine Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren bereits zahlenden Konkurrenten zu erleiden, und verleitet Kunden durch die - vorwiegend unbewussten - psychologischen Wirkmechanismen zu der Annahme, dass den als Gold- oder Premium-Kunden gelisteten Ärzten gegenüber nicht zahlenden Ärzten bei der Arztwahl der Vorzug zu geben sei. Je mehr Ärzte sich diesem System anschließen, umso größer wird der Druck auf die verbleibenden Ärzte, dasselbe zu tun. Durch dieses Konzept verfolgt die Beklagte bereits im Ansatz nicht (mehr) die von dem BGH als (datenschutzrechtlich) zulässig erachtete Rolle der "neutralen Informationsmittlerin".

Vielmehr führt die Verknüpfung von Daten, die (noch) dem legitimen Informationsinteresse der Öffentlichkeit dienen (Name, Fachrichtung und Kontaktdaten der jeweiligen Ärzte bzw. deren Praxen), mit solchen Daten, die über dieses Interesse hinausgehen und gerade eine Besserstellung der zahlenden Ärzte gegenüber ihren nicht zahlenden Mitbewerbern bezwecken, dazu, dass zahlenden Ärzten gegenüber ihren nicht zahlenden (Zwangs-)Mitbewerbern Vorteile verschafft werden, die für einen durchschnittlichen Besucher des Bewertungsportals wegen - vorwiegend unbewussten - psychologischen Wirkmechanismen gerade nicht offensichtlich sind.

Hierzu gehört zum einen und insbesondere das Profilbild, das für die Bewertung der fachlichen Qualifikation eines Arztes ersichtlich keine Rolle spielt, zum anderen aber auch die Möglichkeit der Hervorhebung zahlender Ärzte in den Suchergebnissen des Bewertungs-Portals selbst und / oder in Internet-Suchmaschinen sowie die weiteren von dem Kläger monierten (...) Vergünstigungen für zahlende Ärzte, selbst wenn sie - was unstreitig ist - in ihrer Darstellung gegenüber den Besuchern des Bewertungsportals infolge der bisher ergangenen Rechtsprechung des BGH teilweise von der Beklagten angepasst worden sind."

LG Bonn, Urteil vom 28.03.2019, AZ: 18 O 143/18

UPDATE: Berufungsurteile des OLG Köln vom 14.11.2019, AZ: 15 U 126/19 und AZ: 15 U 89/19

jameda hat gegen das Urteil des LG Bonn beim OLG Köln Berufung eingelegt. Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung des LG Bonn in der Sache, stufte jedoch (anders als das LG Bonn) nur vier Funktionen von jameda als unzulässig ein.

Im Ergebnis wurde jameda verurteilt, das Basis-Profil des klagenden Artzes zu löschen, sofern auf dessen Profil

- auf eine Liste mit weiteren Ärzten verwiesen wird, während auf den Profilen zahlender Ärzte ein Hinweis auf weitere Ärzte unterbleibt, und/oder
- auf eine Liste mit weiteren Ärzten verwiesen wird, auf der zahlende Ärzte anders als der klagende Arzt mit Bild dargestellt werden, und/oder
- Artikel von anderen zahlenden Ärzten veröffentlicht werden, während auf den Profilen sog. Platinkunden ein solcher Verweis unterbleibt, und/oder
- auf eine Liste mit Ärzten für die speziellen Behandlungsgebiete "Zahnersatz, Zahnimplantate, Wurzelbehandlung" verwiesen wird, während auf den Profilen zahlender Ärzte ein solcher Verweis unterbleibt.

Durch vorstehende Funktionen biete jameda zahlenden Ärzten "verdeckte Vorteile" und verlasse daher seine Rolle als neutraler Informationsmittler. Rechtlich wurde der Anspruch auf Löschung des ohne Einwilligung des Arztes eingerichteten Basis-Profils auf §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO gestützt.

Andere Funktionen von jameda, wie die Möglichkeit von Premiumkunden, auf dem Profil in größerem Umfang die angebotenen ärztlichen Leistungen anzugeben als bei Basiskunden, hat das OLG Köln dagegen nicht beanstandet. Insoweit hat das OLG Köln auf die Berufung von jameda die Klage abgewiesen.

Das OLG Köln hat in beiden Verfahren die Revision zum BGH zugelassen, da die Frage, in welchen Fällen eine Bewertungsplattform die Rolle als "neutrale Informationsmittlerin" verlässt, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht vollständig geklärt sei und für eine Vielzahl künftiger Verfahren Bedeutung haben werde.

 

Praxishinweis:

Der BGH hatte bereits 2018 (Urteil vom 20.02.2018, VI ZR 30/17) entschieden, dass jameda Basis-Profile von Ärzten auf deren Aufforderung hin löschen muss.

Weder das Urteil des BGH noch das Urteil des LG Bonn bzw. die Urteile des OLG Köln sind jedoch dahingehend zu verstehen, dass allgemein zugängliche Daten nicht mehr (gegen den Willen des Betroffenen) von Dritten genutzt werden dürfen. Werden solche Daten für eigene wirtschaftliche Zwecke, insbesondere zur Vermarktung von kostenpflichtigen Profil-Mitgliedschaften genutzt, überwiegt das Interesse der jeweils betroffenen Personen.

Daher wurde jameda nicht unbedingt zur Löschung des Basis-Profils verurteilt, sondern nur, sofern die vom OLG Köln aufgeführten Listen und Artikel im Basis-Profil des betroffenen Arztes angezeigt werden. Sofern jameda auf diese Funktionen verzichtet und die Plattform im übrigen neutral ausgestaltet, muss jameda Basis-Profile von Ärtzen nicht löschen.