Fotorecht OLG Hamm: Keine schematische Anwendung der MFM-Tabelle beim Fotoklau im Internet

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 13.02.2014 entschieden, dass die MFM-Tabelle im Rahmen der Schätzung eines Schadensersatzes wegen unerlaubter Fotonutzung zwar als Ausgangspunkt herangezogen werden kann, in einem zweiten Schritt jedoch zu prüfen ist, ob das konkrete Foto tatsächlich am Markt entsprechende Preise erzielen könnte.

Sachverhalt

Die Klägerin vertreibt im Internet Bauteile für die Umrüstung von Fahrzeugen vertreibt. Der Beklagte ist Mitbewerber und bietet über seine Internetdomain sowie über ebay Einzelteile für die Umrüstung an. Die Klägerin verklagte den Beklagten auf Schadensersatz wegen der unberechtigten Nutzung von 45 Fotos in Höhe von 19.050,00 EUR sowie auf Abmahnkosten in Höhe von 1.023,16 EUR.

Entscheidung LG

Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 13.172,42 EUR sowie Abmahnkosten in Höhe von 755,80 EUR.

Es bejahte einen Anspruch der Klägerin gem. § 97 Abs. 2 UrhG auf Lizenzschadensersatz wegen der unberechtigten Verwendung von 44 Produktfotos durch den Beklagten, da der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesen zustanden, diese gem. § 72 UrhG unabhängig von ihrer Schaffenshöhe urheberrechtlichen Schutz genießen und es als erwiesen galt, dass der Prokurist der Klägerin dieser die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Fotos eingeräumt habe.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen nahm das LG sodann von einer üblichen Vergütung für die einmalige Nutzung eines Lichtbildes im Internet oder bei eBay mit 136,50 EUR sowie für die Nutzung im Internet und bei eBay mit 170,63 EUR an, wobei der Sachverständige die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) zu Grunde gelegte hatte. Unter Berücksichtigung des Nutzungsumfangs und eines 100 %igen Verletzerzuschlages wegen fehlenden Urhebervermerks ergebe sich danach der ausgeurteilte Schadensersatz. Die Abmahnkosten berechnete das LG nach einem Gegenstandswert von 16.000,00 EUR.

Berufung des Beklagten

Hiergegen legte der Beklagte Berufung ein und rügte u.a. die Ausführungen des LG zur Schadenhöhe, insbesondere die Anwendung der MFM-Tabellen, da einerseits selbst professionelle Produktfotografen für die Erstellung vergleichbarer Produktfotografien lediglich zwischen 4,00 EUR und 25,25 EUR / Bild verlangen würden, während es sich im Streitfall um "semi-professionelle“ Bilder eines Amateurfotografen mit "Qualitätsmankos“ handele.

Andererseits seien die MFM-Tabellen vorliegend auch deshalb nicht heranzuziehen, weil die MFM-Tabellen den betroffenen Markt gar nicht regelten. Denn die Markterhebungen der MFM erstreckten sich ausschließlich auf gewerbliche Anbieter und gewerbliche Nutzer. Der Urheber der Fotos, der Prokurist der Klägerin sei kein gewerblicher Anbieter von Produktfotos.

Entscheidung OLG Hamm

Das OLG Hamm hielt die Berufung für teilweise begründet, soweit sie sich gegen die Schätzung der Schadenhöhe unter Rückgriff auf die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) richtete. Zunächst führte das OLG zum Hintergrund der MFM-Empfehlungen aus:

„Die MFM-Empfehlungen gehen auf Befragungen von Bildagenturen, Fotografen und Bildjournalisten zurück. Ziel der Erhebung ist es, eine marktgerechte Übersicht der Vergütungsverhältnisse von Bildnutzungsrechten wiederzugeben. Die MFM-Empfehlungen beruhen also auf den Erfahrungswerten professioneller Marktteilnehmer (…). Die von einem Berufsfotografen erstellten Lichtbilder sind regelmäßig professionell hergestellt worden und weisen eine hohe Qualität auf. Hinzu kommt, dass die angesetzten Honorare die Einnahmen für die gewerbliche Tätigkeit der Fotografen darstellen; von diesen Zahlungseingängen müssen sie also auch sämtliche ihrer Betriebsausgaben bestreiten.

Bei privat erstellten Lichtbildern bestehen dagegen zahlreiche Unterschiede. Zum einen weisen solche Fotos selten die Qualität von Bildern eines professionellen Fotografen auf. Oft fehlen die Erfahrung und auch die technische Ausstattung, um eine vergleichbare Qualität zu erzielen; es liegt auf der Hand, dass die Ergebnisse einer einfachen Kompakt-Digitalkamera, die von einem Amateur bedient wird, zu denen einer von einem erfahrenen Fotografen verwendeten professionellen Kamera, die ein Vielfaches kostet, deutliche Unterschiede aufweisen. Auch der vom Fotografen betriebene Aufwand ist oftmals deutlich geringer (…).

Hieraus folgt, dass die jeweilige Honorarempfehlung der MFM im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO zwar als Ausgangspunkt verwendet werden kann. In einem zweiten Schritt ist jedoch eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob das konkrete Lichtbild insgesamt als professionelles Werk anzusehen ist und tatsächlich am Markt entsprechende Preise erzielen könnte, oder ob bei einfacheren Bildern ein prozentualer Abschlag vorzunehmen ist.“

Die vom LG vorgenommene 1:1 Übernahme der MFM-Tabelle lehnte das OLG Hamm vor diesem Hintergrund im vorliegenden Fall ab:

„Eine schematische Übernahme der MFM-Empfehlungen scheidet im Streitfall vor diesem Hintergrund schon deshalb aus, weil sich die streitgegenständlichen Lichtbilder - bei denen es sich um äußerst simple Produktfotografien ohne jedwede Schaffenshöhe handelt - nach den Feststellungen des Sachverständigen X lediglich als semi-professionelle Arbeiten mit erheblichen Qualitätsmankos darstellen.“

In Ausübung seines Ermessens schätzte das OLG Hamm die angemessene Lizenzhöhe auf der Grundlage der MFM-Empfehlungen unter Berücksichtigung eines Abschlags von 60 %, so dass sich ein Anspruch auf Schaden lediglich in Höhe von 5.268,97 EUR (inkl. Verletzerzuschlag) und auf Erstattung von Abmahnkosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 6.000,00 EUR ergab.

OLG Hamm, Urteil vom 13.02.2014, Az.: 22 U 98/13