BGH: Intimfotos nach Beziehungsende zu löschen

Löschung von Intimaufnahmen nach Beziehungsende

Der BGH hat mit Urteil vom 13.10.2015 entschieden, dass im Rahmen einer intimen Beziehung angefertigte intime Bild- und Filmaufnahmen nach Beziehungsende und Aufforderung des Abgebildeten von dem Ex-Partner zu löschen sind.

Sachverhalt

Die Parteien hatten eine Liebesbeziehung. Der Beklagte, Berufsfotograf, erstellte während dieser Zeit zahlreiche Bild- und Filmaufnahmen von der Klägerin, auf denen sie (teilweise) unbekleidet sowie vor, während und nach dem Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten zu sehen ist. Die Beziehung ist mittlerweile beendet, die Parteien sind zerstritten.

Die Klägerin verklage den Beklagten auf Löschung aller in seinem Besitz befindlichen Originalaufnahmen und Vervielfältigungsstücke, auf denen sie zu sehen ist.

Vorinstanzen: Anspruch auf Löschung von Intimfotos

Die Vorinstanzen gaben der Klage insoweit statt, als es sich um Aufnahmen handelt, auf denen die Klägerin bei Handlungen mit intimen Bezug zu sehen ist. Hinsichtlich von Aufnahmen, die sie bei alltäglichen Handlungen zeigen, wiesen sie die Klage ab.

Der Beklagte legte Revision beim BGH ein.

Entscheidung BGH: bestätigt Anspruch auf Löschung von Intimaufnahmen

Der BGH schloss sich den Vorinstanzen an und bestätigte die Verurteilung des Beklagten zur Löschung aller in seinem Besitz befindlichen Intimaufnahmen von der Klägerin.

Die Klägerin habe zwar in die Anfertigung der Intimaufnahmen eingewilligt, so dass die Anfertigung zunächst keinen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstellt. Die Klägerin sei jedoch berechtigt, ihre einmal erteilte Einwilligung für die Zukunft zu widerrufen. 

Bereits Besitz von Intimaufnahmen verletzt allgemeines Persönlichkeitsrecht

Zunächst stellte der BGH klar, dass nicht nur die Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen kann (in diesem Fall ist Anspruchsgrundlage § 22 KUG), sondern bereits der bloße Besitz. Dies gilt insbesondere bei Aufnahmen aus dem Intimbereich:

"(...) unter besonderen Umständen [kann] schon das Innehaben der Verfügungsmacht über Bildaufnahmen durch einen Dritten gegen den Willen des Abgebildeten, sei es nur durch Behalten und Betrachten, dessen Persönlichkeitsrecht verletzen.

Das (...) allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre des Einzelnen auch Aspekte des Geschlechtslebens und das Interesse, diese nicht offenbaren zu müssen. Der Schutz der Privat- und Intimsphäre umfasst Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, insbesondere weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es gerade auch im Bereich der Sexualität der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wäre die sexuelle Entfaltung erheblich beeinträchtigt, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (...). Mit dem Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre spezifisch geschützt ist das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem Partner nicht offenbaren zu müssen, sondern selbst darüber befinden zu können, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird (...).

Die Funktionsherrschaft des Beklagten über die intimen Aufnahmen gegen den Willen der Klägerin ist dem vorbeschriebenen Kernbereich zuzuordnen. Wer nämlich (...) Bildaufnahmen oder Fotografien, die einen anderen darstellen, besitzt, erlangt allein durch diesen Besitz eine gewisse Herrschafts- und Manipulationsmacht über den Abgebildeten (...), selbst wenn eine Verbreitung oder Weitergabe an Dritte nicht beabsichtigt oder untersagt ist. Diese Macht ist umso größer, als Aufnahmen eine vollständige Entblößung des gänzlich Privaten, der grundsätzlich absolut geschützten Intimsphäre des Einzelnen, insbesondere im Zusammenhang mit gelebter Sexualität, zeigen. Diese Entblößung wird von dem Abgebildeten regelmäßig als peinlich und beschämend empfunden, wenn sich der Situationszusammenhang wie hier durch die Beendigung der Beziehung geändert hat. Die zur Anregung des gemeinsamen Sexuallebens erbrachte Entblößung wird als demütigend wahrgenommen, wenn das gemeinsame Erleben entfällt, sie aber dauerhaft sichtbar bleibt, wenn das aktive Subjekt gegen seinen Willen zum reinen Objekt des Bildbetrachters wird. So liegt es im Streitfall. Die Klägerin erfährt durch die gegen ihren Willen fortbestehende Verfügungsmacht des Beklagten über die Aufnahmen, die die Öffnung ihrer Intimsphäre sichtbar festschreiben, ein Ausgeliefertsein und eine Fremdbestimmung, durch die sie im unantastbaren Kernbereich ihres Persönlichkeitsrechts verletzt wird."

Einwilligung bei Intimaufnahmen kann zeitlich begrenzt auf Dauer der Beziehung sein

Zwar habe die Klägerin in die Aufnahme und Nutzung des Beklagten ehemals eingewilligt. Diese Einwilligung war jedoch zeitlich stillschweigend auf die Dauer der Beziehung beschränkt:

"Der Schutz des Persönlichkeitsrechts kann allerdings entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (...). Denn niemand kann sich auf den Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat (...). So liegt der Streitfall jedoch nicht.

Zwar hat die Klägerin nicht der Öffentlichkeit, aber dem Beklagten Einblick in ihre Intimsphäre gewährt und ihm die Aufnahmen zum Teil selbst überlassen, im Übrigen gestattet. Diese Einwilligung war aber begrenzt auf die Dauer ihrer Beziehung zu dem Beklagten."

BGH, Urteil vom 13.10.2015, Az.: VI ZR 271/14