Banner mit "A.C.A.B." bei Fußballspiel strafbare Beleidigung

Ein Banner mit "A.C.A.B." bei einem Fußballspiel stellt eine strafbare Beleidigung dar. Dies hat das OLG Karlsruhe entschieden und damit ein Berufungsurteil des Landgericht Karlsruhe aufgehoben, das den erstinstanzlichen Freispruch vom Vorwurf der Beleidigung (§ 185 StGB) bestätigt hatte.

 

Sachverhalt

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, er habe im Oktober 2010 anlässlich einer Zweitliga-Begegnung des Karlsruher SC gegen den Vfl Bochum im Fanblock des Karlsruher Wildparkstadions gemeinsam mit weiteren Personen ein im gesamten Stadion sichtbares großflächiges Banner mit der Aufschrift „A.C.A.B.“ - eine Abkürzung für die Worte „all cops are bastards“ - hochgehalten, um den im Stadionbereich anwesenden Polizeibeamten gegenüber seine Missachtung auszudrücken.

Entscheidung

Aufhebung Freispruch und Zurückweisung

Der 1. Strafsenat beanstandete, dass das Urteil des LG den Anforderungen an ein freisprechendes Erkenntnis nicht genüge, weil es eine in sich geschlossene Darstellung der für erwiesen erachteten Tatsachen zur objektiven und subjektiven Tatseite vermissen lasse und daher keine ausreichende Grundlage für die revisionsgerichtliche Überprüfung biete. Das Urteil des LG wurde daher aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LaG Karlsruhe zurückverwiesen.

Hinweise OLG für neue Hauptverhandlung

Hohe Bedeutung der Meinungsfreiheit

Für die neue Hauptverhandlung wies der Senat insbesondere darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der in den alleinigen Verantwortungsbereich des Tatrichters fallenden Prüfung und Bewertung der objektiven Tatbestandsmäßigkeit einer Äußerung als Beleidigung dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) Rechnung zu tragen sei.

Grundsatz: Bei mehrdeutigen Äußerungen ist von zulässigen Äußerung auszugehen

Lasse eine Äußerung, wie dies vorliegend der Fall sein könne, nach Wortsinn und bestimmenden Begleitumständen - unmittelbar zuvor wurden auf den heftig kritisierten Polizeieinsatz bei der Großdemonstration im Zusammenhang mit "Stuttgart 21" bezogene Banner verwendet - mehrere Deutungsmöglichkeiten zu, sei deshalb regelmäßig derjenigen der Vorzug zu geben, welche die Äußerung als von diesem Grundrecht gedeckt erscheinen lasse.

Problem: generelle oder persönliche Kollektivbeleidigung

Dies gelte auch für die Auslegung, ob eine - wie hier - unter einer Kollektivbezeichnung erfolgte Erklärung sich als generelle, wenn auch herabsetzende, aber auf die persönliche Ehre bestimmter Angehöriger des Kollektivs nicht durchschlagende Kritik gegen eine grundsätzlich nicht beleidigungsfähige unüberschaubare Personenmehrheit - die "Polizei" im allgemeinen ist eine solche - beziehe oder die Äußerung sich gegen eine beleidigungsfähige abgrenzbare Gruppe aus diesem Kollektiv richte.

"A.C.A.B" legt persönliche Beledigung nahe

Bei der Bewertung der Buchstabenkombination "A.C.A.B.“, die nach allgemeinem Erfahrungswissen die Abkürzung für die englischsprachige Parole "all cops are bastards“ sei, liege es wegen der darin liegenden abwertenden Kennzeichnung einer Person als Bastard allerdings nahe, der Bezeichnung grundsätzlich beleidigenden Charakter im Sinne des § 185 StGB beizumessen; ebenso liege es nahe, dieses Werturteil auf die bei dem verfahrensgegenständlichen Spiel eingesetzten Polizeibeamten und damit einen umgrenzten, grundsätzlich beleidigungsfähigen Personenkreis zu beziehen.

Zudem könne bei der Beurteilung, ob es sich bei der Äußerung "A.C.A.B.“ nach Wortsinn und bestimmenden Begleitumständen um eine vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckte und damit nicht strafbare Kritik handle, berücksichtigt werden, dass die pauschal verunglimpfende Bezeichnung von Polizeibeamten als "Bastarde“ ihrer sprachlichen Fassung nach - anders als etwa die Bezeichnung von bei einer Demonstration eingesetzten Polizeikräften als "Schlägertruppe“ oder von bei einer Verkehrskontrolle eingesetzten Polizeibeamten als "Wegelagerer" - in keinem auch nur ansatzweise erkennbaren sachlichen Bezug zum Beruf des Polizisten als solchem, zur polizeilichen Tätigkeit im allgemeinen oder zum Verhalten von Polizeikräften speziell bei Einsätzen im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen stehe.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07. 2012 (Az.: 1 (8) Ss 64/12- AK 40/12)

Quelle: PM des OLG Karlsruhe vom 02.11.2012