Werbung mit abgelaufenem TÜV-Zertifikat irreführend

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Bild von Wolfgang Claussen auf Pixabay

Das LG Berlin hatte sich mit der wettbewerbswidrigen Werbung mit einem TÜV Zertifikat zu befassen. Im dortigen Fall wurde mit einem abgelaufenen TÜV-Zertifikat geworben. Unterhalb des TÜV-Logos wurde (immerhin) auf den Ablauf hingewiesen. Nach Ansicht des LG Berlin war die Werbung mit dem TÜV-Siegel dennoch irreführend und damit wettbewerbswidrig. Denn den aufklärenden Hinweis unter dem TÜV-Logo beachte niemand, da niemand ernsthaft damit rechne, dass mit einem abgelaufenen TÜV-Zertifikat geworben wird. Eine solche Werbung ergäbe objektiv keinen Sinn.

Sachverhalt: Energieanbieter wirbt mit abgelaufenem TÜV-Zertifikat

Die Beklagte, ein Energieversorgungsunternehmen, warb in einem Kundenanschreiben mit einem Siegel des TÜV Saarland über geprüfte Abrechnungsgenauigkeit. Auf dem Kundenschreiben fand sich unterhalb des TÜV-Gütesiegels der Hinweis: „Gültig bis 25.06.2020“. Das Kundenschreiben wurde jedoch erst nach diesem Zeitpunkt versandt.

Die Wettbewerbszentrale sah hierin eine irreführende Werbung mit dem TÜV-Siegel und verklagte das Energieversorgungsunternehmen vor dem Landgericht Berlin auf Unterlassung. Das Gericht gab der Wettbewerbszentrale Recht.

Landgericht Berlin: Auch bei aufklärendem Hinweis kann Irreführung vorliegen

Das Landgericht Berlin stufte die Werbung mit dem abgelaufenem TÜV-Zertifikat trotz des „aufklärenden“ Hinweises als irreführend ein, da das TÜV-Logo gegenüber dem "aufklärenden "Hinweis blickfangmäßig hervortrete und bei den angesprochenen Verkehrskreisen abstrakte Gütevorstellungen erwecke:

"Die hier durch die Abbildung des Logos hervorgerufene Irreführung wird auch nicht durch den klarstellenden Hinweis „gültig bis 25.06.2020“ unterhalb des Logos beseitigt.

Das TÜV-Logo tritt hier blickfangmäßig hervor und erweckt zunächst unabhängig vom genauen Inhalt der zugrunde liegenden Prüfung bei den angesprochenen Verkehrskreisen – hier dem Empfänger des Schreibens – abstrakte Gütevorstellungen hinsichtlich der Beklagten und der von ihr angebotenen Leistungen.

Auf den Gegenstand der Prüfung kommt es danach nicht mehr zwingend an, so dass ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise den gegebenenfalls weiter erläuternden Text um das Logo herum ohnehin nicht mehr weiter beachten wird.

Dies beruht insbesondere auch darauf, dass niemand ernsthaft damit rechnet, dass überhaupt mit einer tatsächlich nicht mehr gültigen Zertifizierung geworben werden könnte. Denn das ergibt objektiv keinen Sinn. Darüber hinaus ist der aufklärende Hinweis von dem zum Logo gehörenden Text etwas abgesetzt, so dass er nicht zwingend als dazu gehörend wahrgenommen wird. Jedenfalls genügt aber die Gestaltung des Hinweises hier nicht, um die durch die Beibehaltung des Logos erweckte Fehlvorstellung wieder vollständig zu beseitigen. "

LG Berlin, Urteil vom 21.12.2021, Az.: 103 O 110/20

Praxishinweis:

Nicht nur die Werbung mit ungültigen oder abgelaufenen Zertifikaten oder Gütesiegeln ist wegen Irreführung wettbewerbswidrig. Dies liegt auf der Hand.

Aber auch die Verwendung eines Prüfsiegels oder ähnlichem Zeichen, dessen Verleihung keine oder keine kompetente und an objektiven und aussagekräftigen Kriterien orientierte Prüfung vorausgegangen ist, ist unzulässig. Der angesprochene Verkehr erwartet bei einem Prüfsiegel oder ähnlichem Zeichen, dass es von einer neutralen Stelle nach sachkundigen Kriterien vergeben wird. Ist das nicht der Fall, ist die Werbung mit dem Siegel allein aus diesem Grunde irreführend. Von einem Prüfzeichen wird daher erwartet, dass das mit dem Prüfzeichen versehene Produkt oder die mit dem Prüfzeichen versehene Firma von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft worden ist.

Eine Zertifizierung aufgrund einer Selbsteinschätzung des Unternehmens oder Anbieters einer Ware oder Dienstleistung reicht nicht aus. Ebenso wenig reicht es aus, wenn die ausstellende Organisation Angaben des Anbieters einer Ware oder Dienstleistung nur auf ihre Plausibilität hin überprüft  (OLG Köln, Beschl. v. 10.1.2018, 6 U 151/17). Es ist aber nicht mehr erforderlich, dass als Gütezeichen nur verwendet werden darf, was den RAL-Grundsätzen entspricht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.8.2018, 20 U 123/17). Die Beurteilung der Frage, ob der Verleihung eines Gütesiegels eine kompetente und an objektiven und aussagekräftigen Kriterien orientierte Prüfung vorausgegangen ist, erfordert die Publizität des Prüfprogramms. Die angewandten Verfahren und Maßstäbe müssen allgemein zugänglich sein (BGH, Urt. v. 4.7.2019, I ZR 161/18, Tz. 33 - IVD-Gütesiegel).