Urteil: DSGVO Abmahnung von Größbauer rechtsmissbräuchlich

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Wie bereits vor einiger Zeit berichtet, lässt ein Herr Maximilian Größbauer aus Wien über die Berliner Kanzlei brandt.legal bundesweit Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen verschicken, sei es, weil Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO nicht oder nicht vollständig nachgekommen wurde oder eine Datenübermittlung in Drittstaaten mitgeteilt wurde. Neben den Abmahnkosten verlangt Größbauer Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO in vierstelliger Höhe. Auch zahlreiche unserer Mandanten haben Post von Größbauer erhalten. Wir haben die Zahlungsansprüche von Größbauer stets als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen. Ein Fall landete nun vor dem Amtsgericht Augsburg. Dieses hat nun bestätigt, dass das Vorgehen von Größbauer rechtsmissbräuchlich ist.

Hintergrund zur DSGVO Abmahnwelle von Größbauer

Größbauer meldete sich systematisch auf vermutlich hunderten Webseiten für Newsletter an. Nach Erhalt der Newsletter verlangte er von den Webseitenbetreibern Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Wurde keine oder eine unvollständige Auskunft erteilt oder eine Datenübermittlung in Drittstaaten (vor allem USA) mitgeteilt, machte Größbauer über die Kanzlei brandt.legal Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO (je nach Fall zwischen 1.000 Euro und 5.000 Euro) und die Erstattung von außergerichtlichen Anwaltskosten (bis zu 1.728,48 Euro) geltend.

Diese Abmahnwelle hat viele Unternehmen verunsichert, zumal Größbauer durch die Blume mit der Einschaltung der zuständigen Datenschutzbehörde gedroht hat, falls seine Forderungen nicht erfüllt würden. Wir gehen davon aus, dass viele Unternehmen einfach gezahlt oder sich mit Größbauer auf geringere Vergleichsbeträge geeinigt haben, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Welches Unternehmen will schon Post von der Datenschutzbehörde erhalten?

Worum ging es in dem Fall vor dem Amtsgericht Augsburg?

Newlsetteranmeldung, dann Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO

Im vorliegenden Fall hatte sich Größbauer im März 2023 mit seiner E-Mail-Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. für den Newsletter eines deutschen Reiseanbieters angemeldet und diesen dann auch erhalten. Am 03.04.2023 verlangte er Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Die Beklagte erteilte weder auf das Auskunftsersuchen noch auf das Erinnerungsschreiben vom 22.04.2023 Auskunft.

Schreiben von brandt.legal wegen Auskunft, Schadensersatz und Anwaltskosten

Es kam, wie es kommen musste: Am 03.05.2023 ging bei der Beklagten ein Schreiben der Kanzlei brandt.legal ein. Mit diesem forderte Größbauer Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO in Höhe von 1.000 EUR wegen der Nichterteilung der Auskunft sowie die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 719,59 EUR. Die Beklagte zahlte nicht und erteilte auch weiterhin keine Auskunft.

Klage auf Auskunft, Schadensersatz und Anwaltskosten

Am 21.07.2023 reichte Größbauer über die Kanzlei brandt.legal eine Datenschutzbeschwerde beim Landesamt für Datenschutz ein und verlangte von der Beklagten hierfür die Erstattung weiterer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 377,23 EUR.

Beschwerde beim Landesamt für Datenschutz (1 Woche vor Klage)

Eine Woche später erhob Größbauer beim Amtsgericht Augsburg Klage auf Auskunft, Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Zur Begründung des Schadensersatzanspruchs trug er pauschal vor, er sei ein datenschutzsensibler Mensch und die Nichterfüllung des Auskunftsanspruchs löse bei ihm Sorgen und Ängste aus; die Ungewissheit und der Kontrollverlust über seine Daten verursachten Stress und Unwohlsein. Ein Rechtsmissbrauch liege nicht vor, zudem sei dieser Einwand gemäß Art. 12 Abs. 4 DSGVO verspätet.

Urteil Amtsgericht Augsburg: Größbauer handelt rechtsmissbräuchlich

Die Beklagte hat nach Zustellung der Klage Auskunft erteilt. Der Rechtsstreit wurde insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Gericht hatte daher nur noch über die Zahlungsansprüche von Größbauer (Schadensersatz/Anwaltskosten) zu entscheiden. Mit Urteil vom 27.06.2024 hat das Amtsgericht Augsburg die Klage von Größbauer wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen.

"Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche (Feststellung Erledigung, Entschädigung, vorgerichtliche Anwaltskosten) gegen die Beklagte nicht zu. Dem steht der allgemeine unionsrechtliche Missbrauchsvorbehalt entgegen.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger sich allein zu dem Zweck auf den verschiedenen Newslettern angemeldet hat, in der Hoffnung, dass seine Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO nicht ordnungsgemäß beantwortet werden, damit er anschließend Schadenersatz gem. Art. 82 I DSGVO geltend machen kann. Einziges Motiv des Klägers war, sich eine Einnahmequelle zu schaffen. Dies ist rechtsmissbräuchlich."

Systematisches Vorgehen von Größbauer

Im Klageverfahren blieb unstreitig, dass sich Größbauer in einer Vielzahl von Fällen auf verschiedenen Webseiten für Newsletter angemeldet hatte. Das Gericht schloss sich unserer Auffassung an, dass dies ohne echtes Interesse an den Inhalten der Newsletter geschah. Vielmehr ginge es Größbauer darum, durch die Nichterfüllung von Auskunftsansprüchen Schadensersatz und Anwaltskosten zu erlangen:

"Die Überzeugung des Gerichts gründet sich zum einen auf die Anzahl der Newsletteranmeldungen im Zeitraum von Ende 2022 bis Oktober 2023. Die Beklagtenvertreterin hat insoweit 66 Fälle recherchiert in der sie und Kollegen Betroffene gegenüber dem Kläger vertreten und in denen insgesamt 159.500 € Schadenersatz gefordert wurde. 5 Kollegen hätten ihr von 110 weiteren Fällen berichtet in denen Betroffene sich wegen des Klägers an Sie gewendet hätten. Berücksichtigt man, dass die Mehrzahl der Auskunftsverlangen ohne anwaltliche Hilfe ordnungsgemäß beantwortet wird, wird deutlich, dass der Kläger in hunderten von Fällen sich auf Newslettern angemeldet und Auskunftsverlangen gestellt haben muss.

Die Betroffenen sind in so unterschiedlichen Bereichen tätig wie Kosmetik, Deko, Dartpfeile, Fitnessstudios, Fotoausrüstung, Wohnaccessoires, Küchengeräte, Tapeten und Bodenbeläge, Bistro und Weinbau, Metzgerei/Fischverkauf, Magierschule, Bitcoin, Plattform für klinische Studien, Bio Mode für Piloten, Fotoprodukte für Kinder...Auch einen dörflichen Fußballverein der Breitensport betreibt und 500 km vom Wohnort des Klägers entfernt liegt wurde angeschrieben zur Auskunft aufgefordert und erhielt anschließend ein Anwaltsschreiben.

Die Anzahl der Newsletteranmeldungen in Verbindung mit den völlig unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen der Betroffenen zeigt dem Gericht, dass nicht das Interesse am Inhalt der Newsletter der Grund für die Anmeldung für den Kläger war.“

Widersprüchliches Verhalten von Größbauer

Das Gericht sah auch einen Widerspruch darin, dass eine angeblich sehr datenschutzsensible Person sich immer wieder für Newsletter anmeldet, obwohl sie weiß, dass ihre Anfragen teilweise nicht korrekt beantwortet werden. Auch dies deute auf ein finanzielles Motiv hin:

"Dem Gericht ist bei der Vorbereitung auf die Terminierung ein Widerspruch aufgefallen: Warum meldet sich der nach eigenem Vortrag sehr datenschutzsensible Kläger, der bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung seines Auskunftsverlangens Angst, Sorgen und emotionales Ungemach empfindet, immer wieder auf Newslettern an, obwohl er doch weiß, dass zum Teil seinen Auskunftsverlangen nicht ordnungsgemäß nachgekommen wird? Nachdem das Gericht davon ausgeht dass der Kläger kein Masochist ist, ergibt dieses Verhalten aber dann Sinn, wenn es dem Kläger darauf ankommt Geld zu verdienen und er hierfür Angst, Sorgen und emotionales Ungemach in Kauf nimmt.“

Größbauer ignoriert gerichtliche Ladung zur persönlichen Anhörung

Das Gericht hatte das persönliche Erscheinen von Größbauer angeordnet, um ihn persönlich zu seinen Motiven und vor allem zu seinen Befürchtungen zu befragen. Dass Größbauer nicht erschien, verwunderte uns nicht, nur dass dies unentschuldigt geschah. Das Gericht war nicht nur not amused, sondern wertete dies als weiteres Indiz für die rechtsmissbräuchlichen Absichten Größbauers:

"Um diesen Widerspruch aufzuklären hat das Gericht das persönliche Erscheinen des Klägers zur mündlichen Verhandlung angeordnet und den Kläger in der Ladung auch darauf hingewiesen, dass die persönliche Anhörung dazu dient die vorgetragene Datenschutzsensibilität und die Ängste und Sorgen die der Kläger empfunden haben will zu überprüfen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger unentschuldigt nicht erschienen. Der Klägervertreter konnte lediglich hierzu angeben, dass „sein Mandant nicht erscheinen wird ". Ein möglicher, plausibler Grund für das Nichterscheinen einer Partei trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens ist immer, dass diese ein schlechtes Gewissen hat.

Die aufgrund des Akteninhalts zunächst vorläufige Überzeugung des Gerichts von der rechtsmissbräuchlichen Motivation des Klägers hat sich zur endgültigen Überzeugung verfestigt.“

Späte Datenschutzbeschwerde nur taktisches Manöver von Größbauer 

Das Gericht wertete die nur eine Woche vor Klageerhebung bei der Datenschutzbehörde eingereichte Beschwerde als taktisches Manöver, um die Erfolgsaussichten der Klage zu erhöhen.

"Die Beschwerde des Klägervertreters bei der Datenschutzbehörde vom 31.07.2023 steht der Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht entgegen. …
auffallend ist (…), dass die Beschwerde erst eine Woche vor Klageerhebung erhoben wurde. Es liegt nahe, dass die Beschwerde somit aus taktischen Gründen erhoben wurde um die Erfolgsaussichten der Klage zu erhöhen.“

Frist des Art. 12 Abs. 4 DSGVO gilt nicht für allgemeinen Rechtmissbrauchseinwand

Schließlich folgte das Gericht auch unserer Auffassung, dass Art. 12 Abs. 4 DSGVO dem Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegensteht.

Die Beklagte hatte sich außergerichtlich nicht auf Rechtsmissbrauch berufen. Da wir erst im Klageverfahren beauftragt wurden, konnten wir den Einwand des Rechtsmissbrauchs erst in der Klageerwiderung erheben. Größbauer argumentierte einerseits, dass die in Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO genannten Gründe für eine Auskunftsverweigerung abschließend seien:

"Bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen einer betroffenen Person kann der Verantwortliche entweder
1- ein angemessenes Entgelt verlangen, bei dem die Verwaltungskosten für die Unterrichtung oder die Mitteilung oder die Durchführung der beantragten Maßnahme berücksichtigt werden, oder
2. sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden."

und der Missbrauchseinwand jedenfalls verspätet sei, da auch insoweit die Frist des Art. 12 Abs. 4 DSGVO gelte:

„Wird der Verantwortliche auf den Antrag der betroffenen Person hin nicht tätig, so unterrichtet er die betroffene Person ohne Verzögerung, spätestens aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags über die Gründe hierfür und über die Möglichkeit, bei einer Aufsichtsbehörde Beschwerde einzulegen oder einen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen.“

Wir hatten im Klageverfahren dargelegt, dass die in Art. 12 Abs. 5 DSGVO genannten Gründe für eine Auskunftsverweigerung nicht abschließend sind, da daneben selbstverständlich auch der allgemeine unionsrechtliche Missbrauchseinwand möglich ist und Art. 12 Abs. 4 DSGVO auf den Missbrauchseinwand keine Anwendung findet. Dieser Auffassung schloss sich das Amtsgericht an:

„Die Frist des Art. 12 Abs. 4 DSGVO steht dem Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen.

Diese Frist bezieht sich lediglich auf die in Art. 12 Abs. 5 genannten Gründe, nicht aber auf den allgemeinen Missbrauchstatbestand.“

Amtsgericht Augsburg, Urteil vom 27.06.2024, Az.18 C 3234/23

UPDATE: Herr Größbauer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Fazit

📢 Soweit ersichtlich handelt es sich um das erste Urteil im Zusammenhang mit der DSGVO-Abmahnwelle für Größbauer, das für ihn anders als erhofft ausgegangen ist.  Nicht nur, dass die Beschwerde beim Landesamt für Datenschutz nur mit einer "Ermahnung" endete. Größabuer bleibt auf seinen eigenen Anwaltskosten sitzen und muss auch noch die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen.

❌ Das Urteil zeigt, dass die Gerichte bei entsprechendem Tatsachenvortrag rechtsmissbräuchlichen DSGVO Geschäftsmodellen einen Riegel vorschieben. Unternehmen, die von der Größbauer Abmahnwelle oder zukünftigen ähnlichen Abmahnwellen betroffen sind, können aus dem Urteil wertvolle Erkenntnisse für ihre Verteidigungsstrategie ziehen.

☝ Auch das Geschäftsmodell "Google Fonts Abmahnung" ging für die dortigen Akteure letztlich nach hinten los, wurden sogar strarechtliche Ermittlungen gegen diese eingeleitet. Auch das Geschäftsmodell "Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 15 DSGVO" kann womöglich strafrechtliche Konsequenzen haben.

👩‍⚖️ Natürlich ist nicht jedes Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO missbräuchlich. Liegen jedoch Anhaltspunkte für einen Missbrauch vor, können sich betroffene Unternehmen durchaus erfolgreich gegen die Forderungen zur Wehr setzen. Hierbei steht Ihnen unsere Kanzlei gerne beratend und unterstützend zur Seite.