Social Media und Persönlichkeitsrechte von Transfrauen

Transfrau und nicht binäre Person
Bild von Anne auf Pixabay

Das Ringen um die "richtige" Weltanschauung findet nicht nur in den Medien und auf sozialen Netzwerken statt, sondern auch Gerichte sind zunehmend gefordert zu entscheiden, wann die Persönlichkeitsrechte von Transpersonen verletzt werden. So musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main darüber entscheiden, ob die Kommentierung eines Beitrags auf der Plattform "X" mit dem Hashtag "#DubistEinMann" eine zulässige Meinungsäußerung darstellt. Das Gericht bewertete diese Aussage nach sorgfältiger Abwägung der beteiligten Interessen als zulässige Meinungsäußerung und schloss sich damit der Auffassung des Landgerichts an.

Grundsätzlich: Was darf man sagen, was nicht?

Ob eine Äußerung in der Presse oder auf Social Media eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte oder eine zulässige Meinungsäußerung darstellt, ist in jedem Fall sorgfältig anhand der Einzelfallumstände zu prüfen. Dies gilt auch für die Persönlichkeitsrechte von Transgender-Personen.

Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt vor, wenn eine umfassende Prüfung ergibt, dass die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts einer Transfrau/eines Transmannes das Recht auf Meinungsfreiheit der Presse oder des Verfassers überwiegt. Die juristische Einordnung hängt davon ab, wie der Leser die jeweilige Aussage im konkreten Kontext versteht und welche Interessen in diesem Fall schwerer wiegen.

Die Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen ist ausnahmslos unzulässig. Unwahrheiten sind falsche Aussagen über eine Person, die nachweislich nicht korrekt sind. Die Bezeichnung einer Person als Transfrau/Transmann ist daher unzulässig, wenn diese nicht als solche leben.

Auch die Verbreitung von nachweislich wahren Tatsachen kann unzulässig sein, wenn eine besondere Schutzbedürftigkeit oder Interessenlage besteht. Es ist daher nicht gestattet, über geheime Tatsachen aus dem Privat- oder Intimbereich zu berichten. Aus diesem Grund dürfen Transfrauen/Transmänner nicht gegen ihren Willen geoutet werden.

Auch Schmähkritik ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt und daher ebenfalls unzulässig. Von Schmähkritik spricht man bei herabsetzenden Aussagen über eine Person, bei denen nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht, sondern die Diffamierung der Person. Ob eine Aussage als Schmähkritik einzustufen ist, muss in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung des Anlasses und Kontexts der Aussage bestimm werden. Dabei ist zu beachten, dass die nicht nur sachlich-differenzierte Aussagen schützt. Gerade Kritik darf auch grundlos, pointiert, polemisch und überspitzt formuliert werden. Die Grenze ist jedoch die bewusste und gezielte Diffamierung.

Nachfolgend werden drei Urteile vorgestellt, in denen Transfrauen gegen aus ihrer Sicht persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen Dritter vorgegangen sind. Die Gerichte stuften die Äußerung in einem Fall als zulässige Meinungsäußerung ein, bejahten in den beiden anderen Fällen eine Persönlichkeitsverletzung. Daran sieht man: Maßgeblich ist jeweils der konkrete Fall. Eine allgemeingültige Antwort gibt es nicht.

Fall 1: Hashtag „#DubistEinMann“ auf X - zulässige Meinungsäußerung

Die Klägerin ist Journalistin und Aktivistin als Transfrau. Wie die Beklagte ist auch sie auf der Plattform "X" (ehemals Twitter) aktiv. Im März 2023 rief die Klägerin dazu auf, den Deutschen Frauenrat zu unterstützen. Auf dessen Onlineprofil tummelten sich nach ihrer Ansicht viele «Terfs». «Terfs» bedeutet «trans-exclusionary radical feminists» und wird als Schimpfwort für Frauen verwendet, die davon ausgehen, dass es zwei biologische Geschlechter gibt.

Die Klägerin schrieb in ihrem Beitrag auf X: „Beim @Frauenrat tummeln sich gerade jede Menge #TERF #TERFs in den Kommentaren. Gebt dem Frauenrat doch mal ein wenig Support (Herz-Emoji)“. Diesen Beitrag kommentierte die Beklagte mit „8 Likes (Smiley-Emoji mit lachendem Gesicht und Schweißtropfen) times changed! #DubistEinMann“. Die Klägerin sah hierin eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts und forderte die Beklagten auf, es zu unterlassen, in Bezug auf ihre Person zu behaupten, sie sei ein Mann.

#DubistEinMann“ keine Schmähkritik

Sowohl das Landgericht (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.07.2023, 2-03 O 228/23) als auch das Oberlandesgericht (OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 26.9.2023, 16 U 95/23) bewerteten das Recht der Beklagten, ihre Meinung frei zu äußern, in diesem Fall höher als den Schutz der Persönlichkeitsrechte der klagenden Transperson.

Das OLG bestätigte im Rahmen seines Hinweisbeschlusses die Entscheidung der Vorinstanz, dass die Klägerin nicht verlangen könne, dass die umstrittene Aussage „#DubistEinMann“ unterlassen wird.
Der Bedeutungsinhalt der Äußerung „#DubistEinMann“ ist aus der Sicht eines vernünftigen und unvoreingenommenen Lesers im Kontext des übrigen Inhalts des Tweets zu ermitteln.

Aus Sicht des Lesers kommentiert die Beklagte die Äußerung und den Aufruf der Klägerin und äußert ihre ablehnende Meinung zum im verlinkten Beitrag des Deutschen Frauenrates angesprochenen Thema der Selbstbestimmung und Transgeschlechtlichkeit. Der Post der Beklagten stellt eine Antwort auf den Post der Klägerin und den dort verlinkten Beitrag des Deutschen Frauenrates dar. Der eigentliche Kommentar der Beklagten befindet sich vor dem angefügten Hashtag. Das Smiley-Emoji soll die Humorhaftigkeit betonen. Mit ihrem Kommentar drückt die Beklagte aus, dass das Thema an gesellschaftspolitischer Relevanz verloren hat und die Einstellung hierzu sich geändert hat.

Leser wissen um Bedeutung und Funktion von Hashtags

„Aufgrund der Schreibweise der nachfolgenden Äußerung ohne Leerzeichen und der atypischen Großschreibung des unbestimmten Artikels „ein“ sowie der Einkleidung als Hashtag versteht der Leser diese (#dubistEinMann) nicht als persönliche Ansprache der Klägerin im Sinne einer direkten Rede, sondern als verallgemeinernde, d.h. an jede Transfrau gerichtete Aussage“, präzisierte das OLG.

Der Begriff "Mann" stehe für den Leser erkennbar im Zusammenhang mit dem von der Klägerin verwendeten Akronym "terf" (Trans-Exclusionary Radical Feminist), das für einen Transfrauen ausschließenden Feminismus stehe und zum Ausdruck bringe, dass die so bezeichneten "Transgender"-Personen, insbesondere Transfrauen, diskriminiere oder die Transidentität als solche in Frage stelle.

Der Leser wisse, dass Hashtags der Verschlagwortung und Indexierung von Inhalten dienen und durch die Verlinkung mit anderen Beiträgen gezielt Öffentlichkeit erzeugt werden soll. Dieses Wissen bestimme die Lesart und somit das Verständnis des Beitrags.

Der Begriff „Mann“ korreliere für den Leser erkennbar mit dem von der Klägerin in ihrem Hashtag verwendeten Akronym „terf“ (Trans-Exclusionary Radical Feminist), „der für einen Feminismus steht, der transFrauen ausschließt und ausdrücken soll, dass die damit bezeichnete „transgeschlechtliche“ Personen, insbesondere Transfrauen, diskriminiert oder die Transidentität als solche infrage gestellt wird“. Prägend für die Lesart des Lesers sei auch, dass Hashtags insbesondere zur Verschlagwortung und Indexierung von Inhalten genutzt würden; durch die Verknüpfung mit anderen Beiträgen solle gerade Öffentlichkeit generiert werden.

Hashtag ist keine persönliche Herabwürdigung und Diffamierung

Das Landgericht hat ebenfalls zu Recht festgestellt, dass es sich hier nicht um Schmähkritik handelt. Aus der Aussage kann nicht abgeleitet werden, dass die Beklagte die Klägerin unabhängig vom Inhalt ihres Posts und des damit verlinkten Beitrags des Deutschen Frauenrates herabsetzen oder diffamieren wollte.

Das Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit hat in diesem Fall Vorrang vor dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Klägerin und ihrer geschlechtlichen Identität. Es ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin aktiv und wiederholt in die Öffentlichkeit getreten ist. Dabei hat sie das Thema Selbstbestimmungsrecht und Geschlecht selbst zum Gegenstand des gesellschaftlichen Diskurses gemacht. Die Hashtags, die von ihr gesetzt wurden, haben gezielt die dahinterstehende Community angesprochen. Die Auswirkungen des hier behandelten Entwurfs des Selbstbestimmungsgesetzes berühren die Öffentlichkeit in erheblichem Maße.
Die Klägerin nahm nach Erhalt des Hinweisbeschlusses ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Praxishinweis: Konkrete Umstände des Einzelfalls maßgeblich

Bei diesem Fall wurde also berücksichtigt, dass die Beklagte mit ihrem Kommentar nicht die Klägerin, sondern die dahinterstehende "Community" angesprochen hat. Auf der Seite der klagenden Journalistin wurde berücksichtigt, dass sie als Aktivistin im Bereich des Selbstbestimmungsrechts tätig ist und sie sich wiederholt öffentlich an gesellschaftlichen Debatten beteiligt hat, bei denen sie ihr eigenes Geschlecht thematisierte. Deshalb gaben die Gerichte in diesem Fall dem Recht der Beklagten, ihre Meinung frei zu äußern, den Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht der klagenden Transfrau. Entscheidend waren der konkrete Kontext, die Motive der Beklagten und das eigene Auftreten der Klägerin in der Öffentlichkeit.

Andere „Transgender-Streitigkeiten“ endeten zu Gunsten von Transfrauen.

Fall 2: „Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“ - Persönlichkeitsrechtsverletzung

So gab die Pressekammer des Landgerichts Frankfurt einem Eilantrag einer Transfrau statt, die sich gegen die Äußerung „Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein.“ gewehrt hatte (LG Frankfurt, Urteil vom 06.07.2023, 2-03 O 204/23).

Die dortige Antragstellerin ist als Frau im Personenstandsregister eingetragen und lebt seit 40 Jahren als solche. Sie hatte rechtliche Schritte gegen eine Aussage des Antragsgegners eingeleitet, jedoch später auf etwaige Unterlassungsansprüche verzichtet. Daraufhin veröffentlichte der Antragsgegner auf seinem Blog einen Artikel mit der Überschrift "Versuchte Abmahnung gegen Ansage: Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein".

Das Gericht bejahte in diesem Fall eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin, obwohl die Grenze zur Schmähkritik noch nicht überschritten wurde . Der Begriff "Transe" sei umgangssprachlich abwertend und nicht bloß ein vermeintlich neutrales Kurzwort für eine transsexuelle Person. Durch die Verwendung des Attributs "totalitär tickend" verstärke sich die herabwürdigende Intention der Äußerung weiter. Zudem assoziiere die Aussagekomponente "zieht den Schwanz ein" unmissverständlich mit dem männlichen Geschlechtsteil und lenkt den Fokus auf dessen (Nicht-)Vorhandensein bei der Antragstellerin. Diese Hervorhebung habe keinen Zusammenhang mit der vorangegangenen juristischen Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung sei diese Äußerung daher unzulässig.

Fall 3: „Transfrau (…) biologischer Mann (…) über 60-jähriger Mann“ - Persönlichkeitsrechtsverletzung

Ferner hat das LG Frankfurt einem Eilantrag einer Transfrau stattgegeben, welche sich gegen die Bezeichnungen "biologischer Mann" und "über 60-jähriger Mann" in einem Artikel gewehrt hat (LG Frankfurt, Urteil vom 06.07.2023, 2-03 O 149/23). Die dortige Antragstellerin lebt seit 40 Jahren als Frau, benutzt lediglich einen weiblichen Vornamen, identifiziert sich als Frau und möchte gemäß dessen angesprochen werden.

Die Beklagte publizierte einen Artikel auf ihrem Onlineportal, in dem die finanzielle Unterstützung der Antragstellerin durch eine gemeinnützige Stiftung in einem Rechtsstreit mit einer jungen Biologin kritisiert wurde. Die Biologin hatte öffentlich erklärt, dass es biologisch lediglich zwei Geschlechter gebe. Es wurde daraufhin Kritik geübt. In dem Artikel wurde die Antragstellerin zuerst als "Transfrau", später als "biologischer Mann" und schließlich als "über 60-jähriger Mann, der (...) maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist" bezeichnet, dem die Biologin seit Monaten ausgesetzt sei.

Die Pressekammer des LG Frankfurt stellte in diesem Fall ebenfalls eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin fest. Im Rahmen der freien Rede kann eine strenge und sogar aggressive Sprache angewendet werden, so das Gericht. Es ist auch erlaubt, die Antragstellerin und die finanzielle Unterstützung durch die gemeinnützige Stiftung zu kritisieren. Die umstrittene Aussage "über 60-jähriger Mann" kann jedoch im Gesamtkontext nicht einfach als neutrale Feststellung des biologischen Geschlechts der Antragstellerin betrachtet werden. Die Wortwahl ist in Wirklichkeit ein bewusstes Stilmittel, um einen starken Kontrast zu der jungen, weiblichen Biologin zu schaffen und die klagende Transfrau als frauenhassenden Mann darzustellen. Obwohl die Antragstellerin seit 40 Jahren offensichtlich als Frau lebt, wird sie in der Gesamtäußerung bewusst verunglimpft und ihr Persönlichkeitsrecht verletzt.